Vortrag: "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" Überlegungen zur Repräsentationskrise - Studium generale Ringvorlesung "Freiheit verstehen"
Die Repräsentationskrise ist seit Jahrzehnten im Fokus der politikwissenschaftlichen Forschung und wird zu Erklärung der Erstarken der Rechten hinzugezogen: Unsere Abgeordneten auf allen Ebenen sind überdurchschnittlich wohlhabend, gebildet, urban, männlich, christlich und “weiß”. Alle anderen sind unterrepräsentiert. Und viele gehen nicht mehr wählen, oder wählen Parteien, die sich gegen die Demokratie und sein “Establishment” wenden. Was bedeutet (Selbst-)Ausschluss vom herrschenden Volk? und was bedeutet dabei die Freiheit des Nichtwählers, was wird durch seine Verweigerung, an der Herrschaft teilzunehmen, denn für eine Freiheit ausgeführt oder abgelehnt? Diesen Fragen soll dieser Vortrag nachgehen.
Rebecca Pates hat an der Universität Oxford studiert und an der Universität McGill (Kanada) promoviert; sie forscht in der Politikwissenschaft der Universität Leipzig zu Identitätspolitik, dem Erstarken der Rechten und zum Nationalismus. Ihre letzte Monographie ist "The wolves are coming back: The politics of fear in Eastern Germany", Manchester University Press, 2021.
Zur Ringvorlesung: Freiheit verstehen. Herausforderungen und Perspektiven in einer liberalen Gesellschaft
Freiheit gehört zu den konstituierenden Werten der liberalen Gesellschaft. Das Versprechen, diese Freiheit für jede Bürgerin und jeden Bürger zu garantieren und zu wahren, gehört zum demokratischen Selbstverständnis. Immer wieder und immer häufiger hört man aber, „der Staat“ würde die Freiheiten des Bürgers beschneiden: Die zum Schutz der Bürger und Bürgerinnen erlassenen Gesetze und Verordnungen mutieren in den Reden der Populisten zu Zwangsmaßnahmen, die den grundrechtlich garantierten Freiheiten zuwiderliefen. Was ist das also für eine Freiheit, die hierzulande oft mit dem Begriff Wohlstand daherkommt?
Offenbar handelt es sich dabei meist um ein sehr individuelles Verständnis von Freiheit, das lediglich ein Freisein von Beschränkungen und Hindernissen meint. Es stellt sich die Frage, ob es sich dabei nicht um einen stark verkürzten Begriff von Freiheit handelt, der nur auf den ersten Halbsatz von Artikel 2 des Grundgesetzes zielt, dem Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit. In einer Gesellschaft ist eine solche Freiheit aber zwingend nur mit einer Einschränkung denkbar: Sie endet, wo die Rechte anderer verletzt werden. Der Begriff Freiheit bedeutet also sehr viel mehr als individuelle Handlungsfreiheit. Er geht einher mit Verantwortung, mit Rechten und Pflichten, und letztendlich ist Freiheit abhängig von einem Gemeinwesen, in das ein Individuum eingefügt ist.
Im Wissenschaftsjahr 2024, das der Freiheit gewidmet ist, wollen wir uns über politische, soziale und ökonomische Themen dem Begriff der Freiheit nähern, wobei zunächst wirkmächtige Konzepte von Freiheit grundlegend vorgestellt werden sollen. Im Anschluss daran soll Freiheit jeweils erörtert werden im Hinblick auf ihr Spannungsverhältnis unter anderem zum Recht, zum Eigentum, zu Repräsentation und Teilhabe in der Gesellschaft, zur Identitätspolitik, zu Arbeit und Armut beziehungsweise Reichtum.
Veranstaltungsort
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) - Trefftz-Bau
04277 Leipzig